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Linux als produktive Arbeitsumgebung im Büroalltag – Teil 1: Anwenderbericht

Wallpaper Linux Mint mit Logo und sexy Frau Abbildung: Wallpaper Linux Mint | Design von TecArt & Grafiken Food vector designed by Balasoiu - Freepik.com

Inhaltsverzeichnis

  1. Installation
  2. Software (Office + PDF, Internet, System-Tools/Mini-Anwendungen, Bild/Foto)
  3. Individualisierung und allgemeine Benutzung
  4. Fazit

Jeder Medien-Nutzer ist Linux-Nutzer. Zu diesem Schluss kommt das renommierte Computer Magazin c't in der Septemberausgabe anlässlich des 25. Geburtstags des freien Betriebssystems Linux. Es findet sich nahezu in allem technischen Gerät, vor allem dann, wenn ein Netzwerkanschluss vorhanden ist. Von Apple zu Android, vom Smart-TV über den DSL-Router bis hin zum Infotainment-System im Auto. Meine Entscheidung für einen Produktivtest wurde beeinflusst von verschiedenen Faktoren: Ausschlaggebend war die immer aggressivere Produkt- und Datenpolitik von Microsoft, darauf folgte eine Initiative unserer Systemadministratoren zum Test von Linux Mint als produktive Arbeitsumgebung für alle Büro-Arbeitsplätze, für den ich mich als Proband zur Verfügung stellte. Zuvor hatte ich mir bereits einen ersten Eindruck an meinem PC privaten mithilfe eines bootfähigen USB-Sticks verschafft.

1. Installation

Die Installation von Linux Mint 18 auf meinem Büro-PC übernahm ein TecArt-Administrator, weshalb ich als Anwender selbst ziemlich wenig in Kontakt kam mit dem Procedere. Allerdings habe ich mit meinem Selbstversuch auf dem privaten PC ein wenig eigene Erfahrungen sammeln können. Mein bestes Hilfsmittel dabei: das Internet. Eine Fülle an Tutorials und Anleitungen half mir dabei, einen ungefährlichen Test neben meiner Windows-Installation zu fahren. Näheres zum Thema Installation und Administration von Linux Mint erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag meiner Kollegin Izzy Kulbe.

2. Software-Auswahl

Mit dem Installationspaket werden bereits auch diverse nützliche Anwendungen mitgeliefert – jedoch nichts, was ich als Bloatware bezeichnen würde. Unter anderem befinden sich die freie und kostenlose Office-Suite „LibreOffice“, der Firefox-Webbrowser, Mozilla Thunderbird als E-Mail-Programm, sowie diverse andere Programme zur Bildbearbeitung, Bild- und PDF-Betrachter sowie Multimedia-Anwendungen im Lieferumfang von Linux Mint. Über die integrierte Anwendungsverwaltung von Linux Mint kann weitere Software heruntergeladen werden. So lassen sich zusätzliche Browser, Skype u.v.m. nachinstallieren.

Das Nutzerhandbuch von Linux Mint verweist darauf, dass der von Windows-Nutzern gewohnte Weg der Installation zusätzlicher Software aus Download-Portalen oder Hersteller-Seiten nicht empfohlen wird, zumindest für Anfänger. Obwohl ich das bereits ausprobiert habe (natürlich mithilfe eines Tutorials) und es ohne Probleme geklappt hat. Ein großer Vorteil der Anwendungsverwaltung ist, dass sämtliche Updates der einzelnen Programme auch automatisch über diese zur Verfügung gestellt werden, ähnlich wie bei Android mit dem Google Play Store für die installierten Apps. Bei Windows war das längst nicht der Fall und nicht alle Software-Hersteller haben einen Auto-Updater in ihre Programme eingebaut, sodass manche Software nach und nach veraltet und unbemerkt zum Sicherheitsrisiko wird. Das ist hier anders, denn Linux selbst stellt die Programme für die Plattform zur Verfügung und kümmert sich um die Aktualisierung. Auch Windows-Programme können unter Linux zum Laufen gebracht werden, indem man den Software-Adapter „Wine“ bzw. „PlayOnLinux“ benutzt. Für den Anwender macht das de facto keinen großen Unterschied, denn die von mir genutzten Programme bieten die gleiche Funktionalität, wie die nativen Installationen unter Windows auch.

Mein Setup für den Büroalltag setzt sich wie folgt zusammen:

Linux-Systemeinstellungen1-658x400

Linux-Desktop1-658x400

Linux-MSOffice1-658x400

Linux-Startmen1-658x400

LinuxMint-wie-OSX-658x400

Linux-Fenstereinstellungen1-658x400

Linux-Dateimanager1-658x400

Die Funktionalität von MS Office 2010 als Emulation steht der nativen Variante in nichts nach. Zumindest konnte ich bisher keine Einschränkungen erkennen. Ich arbeite mit Formatvorlagen für Dokumente und Präsentationen, gespeichert wird normalerweise in den XML-Dateiformaten (z.B. docx). Der Start der Office-Anwendung dauert etwas länger als von der nativen Windows-Installation gewohnt, ansonsten sind die Reaktionszeiten beim Speichern usw. aber normal. Allein der Speicherort für die Office-Dateien liegt etwas versteckt im Verzeichnis von PlayOnLinux. Hier finden sich alle Dokumente jedoch zuverlässig wieder. Firefox ist wegen den vielen Sicherheits-, Datenschutz- und Individualisierungsoptionen ohnehin mein bevorzugter Browser. Für Websites mit Flash-Inhalten habe ich den Google Chrome mit integriertem Flash-Player in petto. Da ich für die typischen Outlook-Aufgaben sowieso unsere eigene CRM-Software für Linux verwende, bin ich nicht auf weitere Mail-Clients angewiesen.

Der TecArt-Starter für Linux läuft ohne Probleme und ist mit einem einzigen Klick geöffnet. Für alle, die es interessiert: Auch Outlook 2010 startet wie die anderen MS-Office-Komponenten über Wine/PlayOnLinux. Etwas Schwierigkeiten hatte ich unerwartet mit den zur Verfügung stehenden PDF-Programmen. Meine Anforderungen bestehen eigentlich „nur“ aus einer vernünftigen Erreichbarkeit der Funktionen und einer brauchbaren Kommentarfunktion, wie bei Adobe Reader 10/11. Es war tatsächlich etwas schwierig, ein PDF-Tool zu finden, das annähernd an das gewohnte Adobe herankommt. Der Evince-Dokumentenbetrachter bietet eine solide Basis und erfüllt alle grundlegenden Anforderungen (Sprache Deutsch, Kommentarfunktion usw.) Allerdings hapert es im Detail, z.B. gibt es einen Software-Fehler in den Kommentaren, sodass eine Navigation im Kommentartext nur über die Tastatur möglich ist. Die Symbolleiste bietet nur wenig Schnellzugriffe auf Funktionen – man muss diese etwas umständlich über das Menü aufrufen. Derzeit prüfen wir noch die Funktionalität von Adobe Reader 11 unter Wine/PlayOnLinux. Die übrigen Tools und Programme funktionieren nach meiner Erfahrung ohne Einschränkungen, bieten zum Teil sogar deutlich mehr Funktionen als meine gewohnten Windows-Pendants.

3. Individualisierung und allgemeine Benutzung

Ein großer Vorteil von Linux Mint ist die enorme Vielfalt an Einstellungsvarianten für die eigenen Vorlieben. Als Windows-Nutzer ist man hier ja nicht gerade mit Vielfalt und Komfort bedacht worden, denn außer bei Farbgebung und Hintergrundbild war man auf die Systemvorgaben angewiesen. Hinzu kamen seit Windows 8 auch noch zwei Bereiche für Systemeinstellungen („Einstellungen“ und „Systemsteuerung“), die nicht wirklich zusammen harmonierten. Mit der Windows-Systemsteuerung bin ich nie richtig glücklich gewesen, sodass die neue Erfahrung mit Linux schon einen gewissen "Aha, es geht doch"-Effekt hervorgerufen hat. Die hervorragende Usability in den Einstellungen war ich bisher nur von mobilen Betriebssystemen gewohnt. Angefangen beim Desktop-Layout mit verschiedenen Themes, über das Verhalten von geöffneten Fenstern, der Konfiguration der Leiste, Applets/Widgets, Symbolen, bis hin zu der für Linux-Nutzer gewohnten Möglichkeit mehrere Desktops zu nutzen, gibt es eine sehr große Bandbreite an Möglichkeiten. Gerade bei vielen geöffneten Fenstern ist es wichtig, die Übersicht zu behalten. Dafür bietet mein neues Linux Mint Anpassungsmöglichkeiten en masse. Es gibt sogar Möglichkeiten, das Betriebssystem wie Apple's OSX aussehen zu lassen. LinuxMint-wie-OSX

Abbildung: LinuxMint mit OSX Interface - Screenshot

Hier fühle ich mich als Nutzer wirklich gut aufgehoben und vermisse das alte Windows überhaupt nicht – im Gegenteil. Das allgemeine Layout ist wunderbar clean gehalten und wirkt angenehm zurückhaltend. Das Startmenü ist erstens (ohne Umwege) vorhanden, zweitens nicht überladen und bietet drittens eine super Struktur durch die Kategorisierung der Anwendungen. Alle gewohnten Funktionen sind über die Kontextmenüs via Rechtsklick erreichbar. Ein Vorteil von Windows ist jedoch die bessere Integration von drag & drop-Funktionen, z.B. für das Erzeugen von Verknüpfungen auf dem Desktop. Der Datei-Manager lässt sich problemlos bedienen, ist einfach und funktional. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, warum man auf eine globale Suchfunktion verzichtet hat, die bei Windows 10, auch noch als Applet direkt in die Leiste eingebunden werden kann und für die Suche konfigurierbar ist (Cortana, Web und Windows, nur Windows). Einen Assistenten a la Cortana, Siri oder Google Now gibt es für Linux Mint meines Wissens nicht. Aber das wird von mir auch nicht genutzt, geschweige denn benötigt. Vor allem im Hinblick Datenschutz und -Sicherheit. Apropos „Assistenz“: All diese lästigen, überflüssigen und störenden Hinweise, Dialoge und Benachrichtigungen aus Windows gibt es in dieser Masse und Penetranz in Linux nicht! So werden zu löschende Objekte ohne überflüssige Nachfrage automatisch in den Papierkorb verschoben. Beim Hochfahren kommt dem Anwender keine zeitraubende Update-Konfiguration in die Quere und auch sonst zeigt sich das System eher von der dienenden als von der fordernden Seite, was überaus angenehm ist.

4. Fazit

Ich gebe zu, hier am Büro-Arbeitsplatz in der überaus komfortablen Situation zu sein, dass ich Linux-mäßig bestens durch unsere Administratoren betreut werde. Hätte ich die gesamte Installation des Systems alleine machen müssen, vor allem aber die Einrichtung der Zusatzprogramme über Wine/PlayOnLinux, so wäre wohl etwas Geduld für Trial & Error-Maßnahmen, Video-Tutorials und Artikelrecherche nötig gewesen. Dennoch: Unmöglich ist es auf keinen Fall, auch für den unbedarften Anwender nicht. Man muss sich aber darauf einlassen, etwas Neues auszuprobieren, weil Linux eben kein nachgebautes Windows ist. Gerade in größeren Unternehmen mit eigener IT-Abteilung eignet sich Linux aufgrund der besonderen Stärke in Bezug auf Datensicherheit und Datenschutz, sowie Effizienz in der Systemadministration. Für mich selbst war der Umstieg auf Linux ursprünglich ein Test auf Zeit, aber ich habe mich bereits nach der ersten Woche von Windows verabschiedet und werde auch meinen privaten PC auf Linux umstellen. Die Zeit, um mich in die neue Logik einzufinden, Textbefehle für die Konsole zu lernen und mich mit den (wenigen) Schwächen von Linux zu arrangieren, werde ich gern investieren.

Vor allem die Anpassbarkeit und der enorme Sicherheitsvorteil machen mir die Entscheidung leicht. Zudem habe ich schon immer ein Problem mit den Windows-Systemeinstellungen und spätestens seit Windows 10 einen massiven Vertrauensverlust in Microsoft als Betriebssystem-Anbieter. Für reine Desktop-PC‘s erscheint mir Linux mittlerweile eindeutig die bessere Alternative. Schade, dass es noch kein „echtes“, brauchbares Linux für Mobilgeräte und Convertibles gibt. Erste Versuche mit UbuntuTouch scheiterten ja bereits. Doch ich gebe die Hoffnung nicht auf. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich die Auswahl an Software für Linux-Desktops weiter erhöht, auch wenn die Variante über Wine/PlayOnLinux durchaus ein guter Workaround ist und die weitere Verbreitung von Cloud- bzw. Browser-Anwendungen den nativen Installationen ohnehin Konkurrenz macht. Meine Entscheidung steht jedenfalls fest: Linux Mint ist mein neues Windows.